Als die Stämme Chatten (Wettenberg), Greif (Wetzlar), Konradstein (Weilburg), Luchs (Lohra), Wikinger (Beuern), Wüstenfüchse (Homberg (Ohm)) und Zugvögel (Wartenberg) Anfang des Jahres 2015 beschlossen, ein gemeinsames Pfingstlager zu veranstalten, war sehr schnell klar, wie die etwa 150 Leute verköstigt werden sollten: Selbstverständlich Bio. Immerhin hatten wir ja gerade auf der LV den Nachhaltigkeitsantrag verabschiedet. Am liebsten ein regionaler Demeterhof, der uns mit saisonalem Gemüse versorgt. Natürlich darf es aber auch nicht zu teuer werden. Soll sich ja Jede*r leisten können. Also sicher nicht mehr als 4 € pro Nacht und Nase.

Einkaufsliste Pfingstlager 2015Wem jetzt noch nicht klar ist, wo hierbei das Problem liegt, der kann sich trösten lassen. Uns traf die Erkenntnis auch erst zwei Wochen vor dem Lager, nachdem wir endlich die Preisliste des Hofes erhalten hatten. In dem Moment als uns die Exceltabelle mit dem Kostenvoranschlag über 4032 € von verfügbaren 1800 € überraschte. Ups.

Nun, eine lange Geschichte kann kurz gefasst werden, indem wir euch sagen: Es hat am Ende irgendwie geklappt. Es war viel Rechnerei, Rumtelefonieren, Supermärkte, Höfe und Kleinbetriebe Abfahren und eine Menge Hilfe von Anderen involviert, aber es hat funktioniert. Nach stressigen zwei Wochen konnten wir das Lager mit reichlich leckerem und zum Großteil sinnvoll erworbenem Essen versorgen, ohne dabei unser Budget zu sprengen.

Dennoch kamen wir bei einer solch verrückten Aktion nicht umhin uns den einen oder anderen Gedanken darüber zu machen, wo wir als Pfadfinder*innen unsere Ziele sehen und wie wir, zum Beispiel in Bezug auf Nachhaltigkeit, handeln wollen. Ist es uns etwa wichtiger, dass unsere Lager so günstig wie möglich sind, damit sie sich Jede*r leisten kann, oder dass unsere Verpflegung nach ökologischen und gesellschaftlichen Standpunkten die bestmögliche ist?

Sind dies überhaupt die Varianten, zwischen denen wir uns entscheiden müssen? Beim nächsten Mal würden wir persönlich auf jeden Fall nicht mehr unter 5 € kalkulieren, aber das soll hier nicht der Punkt sein.

Viel aufdringlicher war die Frage, was Nachhaltigkeit und verantwortungsvoller Konsum eigentlich bedeuten. Unser Versuch, das gesamte Lager über einen Demeterhof zu verköstigen – der einzige Bauernhof im Umkreis von 70 km, der sich in der Lage sah uns zu versorgen – war wohl von vornherein zum Scheitern verurteilt. Doch was lässt sich stattdessen tun? Was ist ein geeigneter Mittelweg?

Natürlich hätten wir auch die Bioregale im Aldi leer kaufen können. Bio, trotzdem verhältnismäßig billig und alles an einem Ort. Zufrieden gestellt hätten uns 100 Packungen eingeschweißte Scheibenwurst und 70 Milchtüten aus Holland wohl aber nicht. Ob sie jetzt ein Bio-Siegel haben oder nicht. Was bedeutet überhaupt ein Bio-Siegel und wo kann man es kaufen? Mit dieser Fragestellung verbannten wir den absolutistischen Bionarzissmus fürs erste aus unseren Köpfen und fingen von vorne an.

Bei der Suche nach einem Ausweg hat uns vor allem Eins geholfen und zwar unser Sprachorgan. Auf einmal hatten wir einen Metzger an der Angel. Dieser ist Nancys Onkel. Zwar ohne Bio-Siegel, aber dafür mit „echten“ Schweinen. Dazu kam ein Spargelbauer aus Darmstadt, Simons damaliger Arbeitgeber. Auch kein Bio-Siegel, aber sein Gemüse spritzt er trotzdem nicht. Eine Bäckerei. Nicht Bio, aber dafür werden die Brote im Nachbardorf gebacken. Die Marmelade kam aus Annikas Kochtopf. Ihr könnt‘s euch denken, auch Annika hat noch kein Bio-Siegel.

Diese Punkte klingen vielleicht ein wenig lächerlich, haben uns aber leckeres Essen beschert. Dazu konnten wir uns auch ohne Siegel sicher sein, dass unsere Bärchenwurst garantiert frei von Bärchenfleisch ist, und der ein oder andere Preisnachlass war auch drin. Konserven, Nudeln und ähnliches kauften wir schließlich ganz konventionell im Großhandel, hatten dadurch aber genug Geldreserven, um immerhin die benötigten Milchprodukte doch noch beim Biobauern kaufen zu können. Glückliche Kühe haben wir nämlich leider nicht in unserem näheren Bekanntenkreis.

Leicht war unser Versuch, „das Richtige“ einzukaufen nicht und „das Richtige“ ist sehr variabel und abhängig von Zeit und Geld. Uns sind einige glückliche Umstände und Bekannte zu Hilfe gekommen und im Endeffekt waren wir mit den meisten Lebensmitteln auf unseren Tellern sehr zufrieden.

Ob unsere Einkäufe nun nachhaltig waren, auch wenn die wenigsten unserer Lebensmittel ein Bio-Siegel vorweisen konnten und obwohl wir mit mehreren Autos durch halb Hessen gurken mussten, muss wohl Jede*r von euch selbst entscheiden. Unsere Antwort auf diese Frage ist auf jeden Fall ein klares Jein und in diesem Jein liegt auch endlich der Grund für diesen Artikel. Es geht uns nicht darum, euch vorzuschreiben was ihr einkaufen sollt, sondern darum, euch zum Nachdenken zu bringen. Überlegt euch, was für euch sinnvolles Essen ist, ob ihr euch dieses leisten könnt und falls nicht, wie ihr dafür sorgt, dass ihr es euch eben doch leisten könnt.

Vor Allem aber soll unsere Geschichte zeigen, wie viel Potenzial bereits in unseren Gruppen steckt, welches wir nur erkennen müssen. Wir wissen jetzt auf jeden Fall, wo wir sinnvoll Wurst kaufen können und wo wir gute Marmelade bekommen. Oder auch wer uns beibringen kann, unsere Marmelade selbst herzustellen. Günstiger, leckerer und vor allem nachhaltiger, als in der Meutenstunde Beeren zu sammeln und diese selbst fürs nächste Lager einzukochen geht’s wohl nicht…

Hört euch um und entdeckt eure Strukturen, bevor ihr wie wir dasteht und zum Nachdenken eigentlich keine Zeit mehr habt, weil 150 hungrige Mäuler auf euch zu kommen.

 


Diesen Artikel haben Svenja (Stamm Wüstenfüchse Homberg (Ohm)) und Simon (Stamm Greif Wetzlar) für unsere Landeszeitschrift, die LV-Hessenschau, geschrieben. Vielen Dank, dass wir den Artikel und die Bilder auch für unsere Seite nutzen dürfen!

Hier findet ihr eines unserer Rezepte vom Lager zum Nachkochen: Rezept Coffee Chili

Außerdem findet ihr hier einen allgemeinen Artikel über das Pfingstlager: Pfingstlager Azteken 2015

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